„Hast du Lust auf eine kleine Wanderung in den österreichischen Alpen? Da gibt es so eine Pressewanderung vom Deutschen Alpenverein und was ich davon im Internet gesehen habe sah ganz nett aus“. Nett. Kurz gefasst: ich habe die Einladung meines Vaters angenommen. Aber „nett“ ist definitiv der falsche Ausdruck. Naja, die Busfahrt ins österreichische Pitztal, von dem aus wir ins Ötztal gewandert sind war nett. Die anderen Wanderer der Gruppe waren sogar sehr nett. Allerdings wurde bei einer Vorstellrunde zu Beginn bereits klar, dass diese entweder Mitglieder des Deutschen Alpenvereins waren, oder zumindest öfters Wandern gehen. Trotzdem haben wir uns als Gelegenheitswanderer, die vielleicht zweimal im Jahr eine kleine, nicht besonders anstrengende Wanderung machen, zu diesem Zeitpunkt noch nicht davon abschrecken lassen und haben uns gemeinsam mit den Wanderprofis auf den Weg gemacht.

Gewandert sind wir auf dem E5, dem Europawanderweg Nr. 5, der von Konstanz bis nach Venedig führt. Unsere Strecke war zwar nicht so lang, aber bis wir an der Braunschweiger Hütte, in der wir übernachten wollten, angekommen waren, haben wir trotzdem vier Stunden gebraucht. Das könnte allerdings auch an dem Tempo von uns zwei unerfahrenen Wanderern gelegen haben, denn es ging fast die ganze Zeit relativ steil bergauf.

Teilweise waren zur Sicherheit Kletterhilfen wie Seile oder Eisengriffe in die Bergwand eingelassen, da es hauptsächlich nicht auf einem angelegten Weg, sondern auf Steinen, die von Natur aus dort liegen, den Berg hochging und man deswegen an gewissen Stellen nur durch diese Hilfen weiterkommt.

© DAV / Karl Dörnemann

Unsere „nette Wanderung“ wurde also schnell zu einer anstrengenden Klettertour und auch wenn das zwar Spaß gemacht hat, kann ich nicht leugnen, dass ich mich jedes Mal ein bisschen erschreckt habe, wenn ich auf einen etwas lockereren Stein getreten bin und dieser angefangen hat zu wackeln.

© DAV / Karl Dörnemann

Wer im Gegensatz zu meinem Vater keine Höhenangst hat und auch mal so eine Bergwanderung ausprobieren möchte, sollte außerdem genug Wasser mitnehmen – ich hatte schon Probleme, mir meine 1,5 Liter richtig einzuteilen und wie mein Vater die vier Stunden Wanderung mit einer halb so großen Flasche überlebt hat, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Trotzdem haben auch wir es – zwar etwas später und bei weitem nicht mehr so energiegeladen wie der Rest der Wandergruppe – an unser Ziel, die Braunschweiger Hütte, welche mit 2759 Metern die höchstgelegene Unterkunft des E5 ist, geschafft.

Was wir dabei gelernt haben: wandert immer in eurem eigenen Tempo, anstatt krampfhaft zu versuchen, als erste am Ziel anzukommen. Ihr habt so viel mehr von der Wanderung und die Hauptsache ist ja, dass man überhaupt ankommt, nicht wie schnell. Außerdem sollte man am nächsten Tag zumindest noch fit genug für den Abstieg sein, denn ansonsten gibt es außer einem Helikopter keine Möglichkeit, den Berg wieder herunterzukommen.

Was auf dem Berg besonders beeindruckend war, war die Sicht auf einen riesigen Gletscher, an dessen Gletscherwasser in Form von einem Gletscherbach wir schon zu Beginn der Wanderung entlang gewandert waren. Die Braunschweiger Hütte gewann nach ihrer Erbauung zunächst das Wasser aus Brunnen am Gletscherrand, die immer wieder tiefer angelegt wurden bis sie schließlich dennoch alle trocken liefen. Seitdem erfolgt die Wasserversorgung durch eine Quellfassung unterhalb des Pitztaler Jöchls, einem Übergang vom Pitztal ins Ötztal.

Wer an die Alpen denkt, denkt vielleicht vor allem auch an das Skifahren und gerade in diesem Bereich wird gerade in den österreichischen Alpen viel geplant und diskutiert, denn die Betreiber der beiden Skigebiete „Pitztaler Gletscher“ und „Sölden – Rettenbachferner“ planen den Zusammenschluss zum größten Gletscherskigebiet Österreichs.

© DAV / Karl Dörnemann

Diese Zusammenschließung würde allerdings die unberührte Natur im Bereich um die Braunschweiger Hütte zerstören, und genau diese Natur ist es ja, die das Wandern dort so attraktiv macht. Und durch die großen Pläne, die unter anderem eine Gondelbahn und eine endgütige Pistenfläche von ungefähr 64 Hektar, also etwa 90 Fussballfeldern, umfassen, wäre dieses Projekt, welches etwa 120 Millionen Euro kosten soll auch nicht gerade billig. Der Deutsche Alpenverein, von dem einige Mitglieder auch mit uns gewandert sind, steht diesem Skigebiet also eher kritisch entgegen.

 

© DAV / Karl Dörnemann

Ohne Skier und ohne Gondelbahn, aber aufgrund der Höhe mit für Mitte Juli sonst eher ungewöhnlich viel Schnee, ging es am nächsten Tag für uns vor dem Abstieg erst mal noch ein Stück den Berg nach oben, wo wir mit der fantastischen Aussicht einer weißen Nebelwand belohnt wurden. Außerdem hatte es irgendwann angefangen zu schneien, die Steine und auch die teilweise vorhandenen Seile waren etwas rutschig, was mich als Anfängerin trotz meiner tollen – vorher unbenutzten – Wanderstiefel nochmal etwas nervös gemacht hat.

Auch der Abstieg war eher langsam, da ich mir oft nicht sicher war, auf welche Steine ich denn nun sicher treten konnte, doch unsere tolle Wandergruppe hat mir zum Glück etwas geholfen und so sind wir alle sicher im Tal angekommen, wo wir uns erst mal mit einer heißen Schokolade aufwärmen konnten, bevor der Bus uns zur Rückfahrt abgeholt hat.

Im Nachhinein war es also zwar keine „nette kleine Wanderung“.  Aber wer weiß ob ich die Tour überhaupt gemacht hätte, hätte ich gewusst worauf ich mich einlasse. Hinterher war ich jedoch wirklich stolz, es geschafft zu haben und froh, die Einladung angenommen zu haben.