In einer sich stetig wandelnden Arbeitswelt rückt eine neue berufliche Philosophie immer stärker ins Rampenlicht: das ‘Downshifting’. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Eine Frage der Generationen

Über viele Jahrzehnte hinweg wurde Karriere als ein kontinuierlicher beruflicher Aufstieg angesehen, der als Lebensziel galt. Die Vorstellung von beruflichem Erfolg war jedoch immer eng mit den Wertvorstellungen unterschiedlicher Generationen verknüpft. Heutzutage haben viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jedoch ganz andere Vorstellungen von ihrem Berufsleben und legen verstärkten Wert auf sinnvolle Lebenszeit und Zufriedenheit. Im Gegensatz zu den jungen Menschen in den 50er-Jahren, die während des wirtschaftlichen Aufschwungs oft Schwierigkeiten hatten, überhaupt einen Ausbildungsplatz oder einen sicheren Job zu finden, stehen heute andere Qualitäten im Fokus. Flexibilität und die Bereitschaft, den Arbeitgeber zu wechseln, gelten nicht mehr als “untreu” dem Unternehmen gegenüber, sondern als Voraussetzung für berufliche Erfolge.

Fachkräftemangel und die Coronapandemie führen dazu, dass Arbeitgeber aktiv um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werben müssen. Bewerberinnen und Bewerber erwarten eine ausgewogene Work-Life-Balance und suchen nach flexiblen Arbeitsmodellen. Dies schließt auch die Möglichkeit des Downshiftings ein, bei dem viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer festgestellt haben, dass eine Reduzierung auf beispielsweise 67 Prozent ihres ursprünglichen Gehalts, verbunden mit mehr Freizeit und Selbstverwirklichung, attraktiv sein kann. Allerdings kann der Wunsch nach Downshifting bei Arbeitgebern auch Unsicherheit und Bedenken hervorrufen. Unternehmen sollten daher offen auf diese Bedürfnisse eingehen und gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden tragfähige Lösungen suchen. Letztendlich profitieren beide Seiten von einer gesteigerten Arbeitszufriedenheit.

 

Den Weg zur inneren Erfüllung und zur Work-Life-Balance finden

Obwohl viele Menschen immer noch Karriere mit steigendem Einkommen, höherem Status und einer ständigen Beförderung in Verbindung bringen, interessieren sich immer mehr Menschen für das Konzept des Downshiftings. Dies bedeutet weniger Arbeitszeit und mehr Raum für persönliche Entwicklung. Es ist wichtig zu beachten, dass eine berufliche Verkürzung nicht zwangsläufig das Ende der beruflichen Laufbahn bedeutet. Tatsächlich möchten laut Umfragen in Deutschland 53 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit reduzieren. Dies liegt daran, dass Vollzeitbeschäftigte rein rechnerisch mehr Zeit mit ihren Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten verbringen als mit ihrer eigenen Familie.

Der Wunsch nach mehr selbstbestimmter Zeit hat nichts mit beruflicher Schwäche oder mangelnder Kompetenz zu tun, sondern eher mit Selbstfürsorge. Durch das Downshifting kann der Lebensschwerpunkt neu ausgerichtet werden, was dazu beitragen kann, den Job langfristig gesund und mit Freude auszuüben. Personen, die eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit in Betracht ziehen, sollten sorgfältig darüber nachdenken, welche Gründe hinter ihrem Wunsch stehen. Auf diese Weise können sie das für sie passende Modell finden und ihre Vorgesetzten überzeugend davon überzeugen.

 

Downshifting: Wie man es dem Chef mitteilt

Statistisch gesehen befindet sich jeder Zweite, der weniger Zeit im Job verbringen möchte, in guter Gesellschaft, da Umfragen zeigen, dass viele Menschen ihre Arbeitszeiten reduzieren möchten. Es ist jedoch wichtig zu bedenken, dass Downshifting eine erhebliche Auswirkung auf die Personalplanung und Arbeitsorganisation hat. Daher ist es ratsam, das Gespräch mit den Vorgesetzten gut vorzubereiten.

Wenn Mitarbeitende eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit wünschen, gibt es eine Vielzahl von Fragen, die Personalverantwortliche klären müssen. Wer wird die fehlenden Arbeitsstunden übernehmen? Stehen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für die Position zur Verfügung? Muss die Stelle möglicherweise neu ausgeschrieben werden? Solche Überlegungen sollten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht davon abhalten, ihren Wunsch nach Downshifting zu äußern. Es ist jedoch wichtig, diese Themen zu kennen und die Herausforderungen für Personalverantwortliche anzuerkennen. In Verhandlungen ist es daher hilfreich, schlüssig zu erklären, warum man kürzertreten möchte, ohne dem Arbeitgeber Vorwürfe zu machen.

Möglicherweise haben Mitarbeitende bereits eine Vorstellung davon, welche Bedenken ihr Arbeitgeber haben könnte. In diesem Fall ist es ratsam, mögliche Lösungen vorzuschlagen. Vielleicht gibt es Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind, mehr zu arbeiten, oder Interessierte, die die Stelle teilen möchten.

Ein offenes Gespräch bietet die besten Erfolgsaussichten. Neben den Argumenten ist auch die Einstellung, mit der die Betroffenen das Gespräch führen, wichtig. Wer selbstbewusst für mehr Selbstbestimmung eintritt, sollte dies auch klar kommunizieren. Im Gespräch sollten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich ihrer eigenen Stärken bewusst sein und betonen, welchen Nutzen sie für das Unternehmen bringen können.

 

Mehr Sinn im Leben, mehr Zeit für die Familie

Es gibt viele Gründe, warum Menschen eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit in Betracht ziehen. Diese können höheres Alter, Veränderungen in der Familie und im Privatleben, veränderte Werte und Gesundheitsprobleme umfassen. Auch Lebensphasen und die Zugehörigkeit zu bestimmten Generationen können eine Rolle spielen. Menschen, die darüber nachdenken, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, sollten sich darüber im Klaren sein, was sie antreibt, um die für sie richtige Entscheidung zu treffen.

Gerade jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere die Generation Y oder “Gen Why”, suchen in ihren Jobs nach sinnstiftenden Tätigkeiten und sind weniger bereit, ihre persönliche Verwirklichung und Zufriedenheit für die Karriere aufzugeben. Wenn der Beruf zu einer belastenden Pflicht wird, kann Downshifting zu einer neuen Balance und mehr Freiheiten führen. Teilzeitarbeit ermöglicht genügend Zeit für persönliche Projekte oder nebenberufliche Weiterbildungen. Studien zeigen, dass Arbeit einer der häufigsten Stressfaktoren ist. Ständiger Leistungsdruck raubt Energie und Lebensfreude.