Ganz YouTube spricht von nichts anderem mehr, auf Instagram wird der Hashtag „saveyourinternet“ tausendfach geteilt, Demonstrationen und Brandreden werden gehalten und eine populäre Petition macht die Runde. Was ist vorgefallen, was die Leute in eine ebensolche Panik verfallen lässt?

Es ist der Artikel 13, eine neue, in der Planung befindliche Richtlinienverordnung, die gemeinhin gern als final festgelegtes Gesetz dargestellt wird. Denn viele Leute wissen nichts über das „Gesetz“, außer, dass die Tagesschau mal über eine von der FDP veranlasste Abstimmung im Bundestag zum, im Volksmund so genannten, „Uploadfilter-Gesetz“ berichtet hat oder sie irgendwelche Werbung von YouTube mit der Frage „Was wäre, wenn du deine Lieblingsyoutuber nicht mehr schauen könntest?!“ in den sozialen Netzwerken angezeigt bekommen haben. Doch was es damit genau auf sich hat und welche Auswirkungen diese Verordnung auf uns hat, das weiß keiner so recht. Die Frage, ob es YouTube künftig überhaupt noch geben wird, stand und steht, mit Panik betrachtet, im Raum. YouTuber regen Kampagnen an, da sie um ihre Existenz fürchten. Andere wiederum stehen dem entgegen, ein Weltkonzern wie Google, der ja hinter YouTube steht, lasse sich doch nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen. Doch das Thema an sich ist viel weiterreichender und umfangreicher, als nur YouTube betreffend. Zunächst also einige Details und Erklärungen, um mehr Klarheit zu schaffen.

Artikel 13 ist eine vom CDU Europa-Abgeordneten Axel Voss eingebrachte und stark umstrittene Richtlinie zum Urheberrecht, um die Werke von einzelnen Künstlern und Kreativen vor Piraterie zu schützen. Hierzu sollen nun auch die Plattformen, wie YouTube, Twitter oder Instagram sofort für den Upload solcher Inhalte haftbar gemacht werden, statt wie bisher nur derjenige, der den Urheberrechtsverstoß begangen hat. YouTube und Co. müssen Inhalte also bereits vor dem Upload auf geschützte Inhalte filtern, bevor es zu einem Urheberrechtsverstoß kommt, sonst drohen Abmahnwellen und Strafen in mehrstelliger Millionenhöhe. Solch einen Filter hat YouTube bereits impliziert, was 2017 die Debatte um die fälschliche Demonetarisierung von Inhalten ausgelöst hat, denn…der Filter funktioniert meist mehr schlecht als recht.

Die Krux dabei ist, dass der rund 100 Millionen schwere Filter bereits der beste und ausgefeilteste seiner Art weltweit ist. Besser geht es also momentan nicht.

© tadija; VGregoriev – depositphotos

Daraufhin hatte die YouTube-Chefin Susan Wojcicki in einem Brief an die Community davor gewarnt, dass mit Einführung des Entwurfs als Gesetz zahlreiche Kanäle in Europa gelöscht würden. Man munkelt auch, dass YouTube nur noch eine Mediathek für Content von großen Unternehmen und Verlagen werden würde. Das ist natürlich sehr grob heruntergebrochen und stellt überhaupt nicht die gesamte Tragweite dar.

Zu der ganzen Thematik gab es zunächst drei Entwürfe der EU, die zur Diskussion standen und voneinander nur teilweise abwichen. In sogenannten „Trilog-Verhandlungen“ einigte man sich schließlich auf den einen, momentan stark diskutierten Entwurf. Dieser besagt unter Anderem, dass Plattformen, die urheberrechtlich geschütztes Material auf ihrer Seite veröffentlichen, gezwungen werden mit jedem Urheber einen Lizenzvertrag abzuschließen. Das heißt, auch wenn du ein selbstgemaltes Bild auf Instagram veröffentlichst, soll Instagram mit dir einen Lizenzvertrag abschließen. Und das mit jedem Nutzer. Dass das ein absoluter Wahnsinn und zudem unmöglich ist, wird uns beiden klar sein. So ähnlich schilderte es auch der bekannte Medienrechtsanwalt Christian Solmecke der Medienrechtskanzlei „Wilde, Beuger und Solmecke“, welcher zu der ganzen Thematik ein Video aus rechtlicher Sicht auf dem Kanal „Kanzlei WBS“ veröffentlicht hat, welches hier noch einmal detailliert herangeht.

Mit Uploadfiltern lässt sich zudem auch viel Schindluder betreiben. Ungewünschte Inhalte könnte hier von vorherein ungesehen ausgesperrt werden und damit z.B. Kritik an einer Partei als Urheberrechtsverstoß getarnt gar nicht erst hochgeladen werden können. Damit sind Uploadfilter Zensur. Auch ist es eine ständige Überwachung, der wir uns nebst NSA und Co. auszusetzen haben. Und all dies beträfe sämtliche Plattformen, also egal ob WhatsApp oder YouTube. Wer ein Meme oder eine Parodie hochladen will, könnte dies künftig dann wohl nicht mehr tun, da Uploadfiltern hier das Feingefühl fehlt und sie in Verstoß oder legaler Verwendung von geschütztem Material keinen Unterschied sehen. Das würde unser Internet und unsere demokratischen Grundrechte, wie das Meinungs-und/oder Zitatrecht, stark beschneiden.

Ende 2018 beschwichtigte die EU in den sozialen Medien in dieser Sache, man sprach davon, dass Härte und Umfang des Entwurfs im nationalen Recht, das heißt von jedem EU-Mitgliedsland selbst, festgelegt werden. YouTube werde es im Übrigen, so der Text, weiterhin in genau derselben Form geben. Denn, so der Entwurf des EU-Rats, hat ein Unternehmen alles Verhältnismäßige und eben Mögliche unternommen, wie bei YouTube den Einbau eines Uploadfilters, so entfällt die Haftung durch das Unternehmen und der Verstoß und dessen Konsequenzen fallen wieder ausschließlich auf den Einzelnen zurück. Auch seien nur Unternehmen ab einem Umsatz von 3 Millionen Euro davon betroffen.

Dieses Jahr wird sich jedoch erst einmal gar nichts ändern, da die Richtlinie ja erst in nationales Recht umgewandelt werden muss, das dauert eine Weile. Doch muss die ganze Situation weiter kritisch und aufmerksam beobachtet werden, da dieser Entwurf unsere Rechtslage in jedem digitalen Lebensbereich massiv einschränken würde. Das muss verhindert werden. Urheberrecht ist eine gute Sache, aber so nicht!

Am 11.02.2019 war der abschließende Trilog, dort wurde ein finaler Entwurf vorgelegt, dem das Parlament zustimmte und nun auch der zuständige Rechtsausschuss. Hoffnungen, dass die Bundesregierung sich gegen den Entwurf stellt, scheiterten durch die Zustimmung von unter anderem Bundeskanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Altmeier. Durch die Zustimmung zu den, wie Merkel sie selbst nennt, „Merkelfiltern“ ist auch der Koalitionsvertrag gebrochen worden, in welchem man sich gegen Uploadfilter aussprach und diese als unverhältnismäßig einstufte. Leider hat Frau Merkel im EU-Rat eine Richtlinienkompetenz, also im Zweifel bestimmt sie, wie es gemacht wird. Dies wird unter anderem in einem der vielen Videos von „HerrNewstime“ klar, welcher hier den SPD Europa-Abgeordneten Tiemo Wölken interviewte.

Doch noch ist nichts verloren: Ende März findet erneut eine Abstimmung im EU-Parlament statt, die finale Entscheidung. Meine Tipps: Schreibt den Abgeordneten oder ruft sie an, aber ruft auch bei Frau Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, und im Kanzleramt an, denn Frau Merkel und Frau Grütters fordern ja vehement die Merkelfilter auf EU-Ebene. Daher ist es auch wichtig, sie zu sensibilisieren. Auch sind von der Anti-Artikel 13 Kampagne „savetheinternet“ europaweite Demonstrationen angekündigt worden, welche es in jedem Fall zu unterstützen gilt. Termin soll laut bisherigen Angaben der 23.03.2019 sein. In Köln fanden bisweilen schon 2 Demos zu dem Thema statt. Dort wurden auch die fragwürdigen Aussagen von Politikern „Die Kampagne sei von Google und Co. initiiert“ und „die Schreiber der E-Mails an die Abgeordneten und Petitionsunterzeichner seien Bots“ aufgegriffen. So demonstrierten mehrere tausend dieser Bots und setzten bereits ein klares Zeichen.

Also, packen wir´s an! Noch besteht Hoffnung.

Text // Jonas Bettger