Sie mussten mich angucken“

 

Wie wird man Youtuber?

(lacht) Wenn es da ein Rezept dafür geben würde, wäre das nicht schlecht.

Wie sah denn Ihr Rezept aus?

Ich hatte ganz viel Glück. 2006, während der Fußball-WM hatte ich schon meinen YouTube-Kanal. Ich habe damals erste Filmchen gemacht – und die nur hochgeladen, weil ich die meinen Freunden zeigen wollte. Dann habe ich gemerkt, dass sich das noch andere anschauen. So kam es zur Idee, mal einen Sketch zu machen. Das war der reine Zufall. Zu der Zeit gab es nur zwei oder drei andere YouTuber. Die Leute hatten keine Wahl. Sie mussten mich angucken.

Und heute?

Heute ist das alles viel schwieriger. Es gibt Tausende Leute, die auf YouTube bekannt werden wollen.

Wie reagieren Sie, wenn ein Jugendlicher kommt und sagt: „Kein Bock auf Ausbildung. Ich werde gleich Youtuber“?

(Lacht) Oh, Gott, nein! Den werde ich mir schnappen. Ich kann dem dann meine Geschichte erzählen: Erst Realschulabschluss und dann habe ich meine Ausbildung angefangen.

Welche?

Zwei Jahre sozialpädagogischer Assistent und danach habe ich drei Jahre lang Erzieher gelernt. Während dieser Zeit lief es schon ziemlich gut mit meinem YouTube-Kanal, habe da schon Geld verdient. Ich hätte also auch sagen können: Ich wage das jetzt und setze alles auf eine Karte. Mir war es aber wichtig, meine Ausbildung zu Ende zu machen. Ich wollte ein zweites Standbein haben.

Würden Sie das wieder so machen?

Ja, sicher. Auf YouTube und im Internet da geht alles schnell, da weiß man nie, wann alles vorbei ist. Ich habe deshalb auch nach meinen fünf Jahren Ausbildung noch drei Jahre lang als Erzieher an einer Grundschule gearbeitet. Und, jetzt, vor zwei Monaten war der Punkt erreicht, wo ich mir gesagt habe: Job und Medien – das geht nicht mehr. Aber es ist einfach beruhigend zu wissen, dass man eine Berufsausbildung hat. Der Chef hat mir gesagt: Wenn es mal nicht mehr klappt mit YouTube, kannst Du jederzeit wiederkommen. Wenn man diese Sicherheit im Rücken hat, schläft man ruhiger. Man kann dann alles viel mehr genießen.

Sie plädieren also – ganz bürgerlich – für eine solide Berufsbasis?

Ja, natürlich. Schulabschluss, Ausbildung. Das gehört einfach dazu.

Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Schule. Was sollte sich für unsere Kinder ändern?

Uiih, da müsste sich einiges ändern.

Machen Sie doch bitte mal ein paar Vorschläge.

Ich bin gerne zur Schule gegangen, hatte da eine super Zeit. Aber die Politik sollte endlich handeln. Die Schulklassen müssen deutlich kleiner werden. Das weiß man seit Jahren, passiert ist nichts. Wir haben immer noch Klassen mit 30 Kindern im hallenden Altbau. Es ist die Hölle, da zu unterrichten. In meinem Umfeld sind jetzt noch rumänische Schüler dazu gekommen, die kaum Deutsch sprechen. Die brauchen intensive Betreuung, aber es ist einfach kein Personal da. Und auch die Fächer müssten sich ändern.

Was schlagen Sie vor?

Warum sollen Schüler heute die tote Sprache Latein lernen? Was nutzt es Zehntklässlern, wenn sie einen Aufsatz in Englisch schreiben müssen? Wir brauchen mehr Bezug zur Lebenswirklichkeit. Wir müssten uns im Unterreicht wieder über ganz banale Dinge wie Umgangsformen unterhalten. Oder ganz praktische Dinge: Wie bezahle ich Rechnungen oder die Miete? Wie mache ich meine Steuererklärung? Ich halte diese Fragen für wichtiger als Infinitesimalrechnung. Ich kann den Frust vieler Schüler verstehen. Wenn ich Dinge lernen muss, die ich im Leben nie wieder brauche, fehlt auch die echte Motivation zum Lernen.

Tragen Sie als YouTuber zur Internetsucht Jugendlicher bei?

YouTube ist auch nur ein Medium wie Fernsehen oder Radio. Natürlich habe ich mich während der Zeit, als ich als Erzieher an der Grundschule tätig war, gefragt: Verträgt sich das mit den lustigen Sachen, die ich für ältere Jugendliche mache? Aber die Reaktionen von Schülern und Eltern waren sehr positiv. Meine Form der Unterhaltung wird es immer geben. Ich halte es für wichtig, dass die Eltern sich damit beschäftigen, was ihre Kinder sich anschauen. Das sage ich auch als Erzieher: Wir müssen bestimmen, was unsere Kinder im Internet machen. Ich finde es erschreckend, wie viele Eltern es gibt, die keine Ahnung haben, was auf YouTube passiert und was sie da verpassen. Ich werde auf der Straße häufig von Jugendlichen erkannt und angesprochen. Und die Eltern stehen daneben und haben keine Ahnung, wer ich bin. Ich halte das für sehr schade.

Sagen Sie auch das Ende der alten Medien voraus?

Das Ende nicht. Aber ich denke, dass das klassische Fernsehen verschwinden wird. Wir werden eine Mischform bekommen aus Fernsehen und dem, was wir heute auf YouTube machen. Ich bin mir sicher, dass es feste Programmzeiten nicht mehr geben wird. Das wird von jungen Menschen nicht mehr akzeptiert, dafür gibt es heute ja schon die Mediatheken.

Ihr erster Kinofilm „Kartoffelsalat“ wurde von der Kritik zerrissen. Leiden Sie in diesen Tagen?

Nein. Das zeigt doch nur, dass die alten Medien nicht verstehen, was die neuen Kids lustig, spannend und interessant finden. Der Film hat das Publikum gespalten. Uns war von Anfang an klar, dass die Leute diesen Film entweder lieben oder hassen werden. Im Endeffekt hat das dem Film gut getan.

Wie geht es mit Ihnen weiter?

Ich habe jetzt ein Jahr lang wegen des Filmprojekts mit meinen YouTube-Videos ausgesetzt. Am 24. Oktober geht es da wieder los – jeden Samstag um 14 Uhr. Ich werde mich wieder voll auf mein YouTube-Projekt konzentrieren. Dazu mache ich noch viel drum herum. Seit drei Jahren arbeite ich für den NDR und für European Song Contest und einige andere Sachen werde ich auch noch machen.

Sie arbeiten als YouTuber als auch weiter für die etablieren Medien?

Ja, das gehört zu meinem Job dazu.

Das Interview führte Martin Armbruster, Redakteur, IHK für München und Oberbayern am 07.10.2015