Wie schlecht geht es uns wirklich? Ein Blick über den Tellerrand genügt, um festzustellen, dass es uns eigentlich sehr gut geht.

Das Thema rund um G8, unser Schul- und Bildungssystem, schlechte Lehrer oder sogenannte „Helikoptereltern“ steht ständig unter Diskussion. Besorgte Eltern, überforderte Schüler und gestresste Lehrer – wo liegt die Ursache des Problems? Ist es unsere Gesellschaft, die Politiker, Deutschland als Wirtschaftsmacht, das zu hohe Anforderungen an unsere Kinder und Jugendlichen stellt? Bei all diesen Fragen und der Kritik an unserem Bildungssystem, ist es vielleicht besser, etwas Abstand zu nehmen und sich zu fragen: „Wie schlecht geht es uns eigentlich?“; sieht man nämlich über den eigenen Tellerrand hinaus, so stellt man fest, dass es uns eigentlich sogar sehr gut geht.

 

Laut der letzten PISA-Studie von 2013 liegt Deutschland in allen Bereichen über dem Durchschnitt. Auch wenn asiatische Länder wie Shanghai, Korea oder China die Liste anführen und Deutschland „nur“ in der Mitte liegt, muss man sich fragen: „Was zählt mehr –  ein ausgeglichener Lebensstandard oder Kinder, die auf Erfolg getrimmt werden und täglich acht Stunden lernen?“. Lohnt es sich, dass Kinder und Jugendliche – so wie beispielsweise in Japan und Korea – ständig unter Druck stehen und lernen, nur damit man einmal im Jahr in einer Statistik vorne liegt? Basiert Erfolg nur auf Geld und Macht oder gehört auch Glück und Zufriedenheit dazu? Was die PISA-Studie nämlich nicht beachtet sind allgemeine und genauso wichtige Werte wie Frieden, Freiheit oder Familie und Freunde.

China beispielsweise hat gute Schüler, jedoch eine starke Umweltverschmutzung und keine freie Meinungsäußerung. Die japanischen Schüler gelten als sehr fleißig, allerdings gibt es in Japan, genauso wie in China, weniger Patentanmeldungen, das heißt Anmeldungen für neue Erfindungen, pro Kopf als in Deutschland.

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Warum ist das so? Erfindergeist setzt eine Kultur der Freiheit und der Individualisierung voraus. Diese Kultur wird in PISA-Studie aber nicht berücksichtigt, sie wirft also einen verengten Blick auf ein paar wenige Fische eines großen bunten Schwarms. Es ist ein Fehler aus einem engen Blickwinkel auf das Ganze zu schließen. Eine Pizza besteht nicht nur aus Salami – betrachtet man sie ganz, dann schmeckt Deutschland echt lecker.

Man könnte sich genauso mit anderen Ländern wie Indien oder Afghanistan vergleichen, wo die Kinder froh sind, wenn sie eine Schule besuchen können. Orte, an denen Kinder vielleicht täglich ums Überleben kämpfen. Aus meiner eigenen Erfahrung nach einem Schuljahr in Indien kann ich sagen, dass der Bildungsstandard dort auf einem ganz anderen Niveau liegt als in Deutschland. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir unter solch angenehmen Bedingungen lernen dürfen.

Mit Bedingungen meine ich gut ausgebildete Lehrer, gute Schulbücher, gute Klassenräume, ein gutes Schulgebäude, vernünftigen Sportunterricht und viele andere Dinge. In Indien sind die Klassen meist viel zu überfüllt, wodurch ein normaler Unterricht fast unmöglich ist. Die Schüler werden zum Auswendiglernen erzogen und nicht – wie wir – darauf, logische Zusammenhänge zu erkennen und selbstständig zu denken. Um überhaupt eine dem Standard angemessene Bildung zu erlangen, müssen sie Privatschulen besuchen, die natürlich Geld kosten. Und selbst diese „Privatschulen“ entsprechen nicht dem deutschen Standard. Indische Schüler müssen im Gegensatz zu uns auch Schuluniform tragen und die Schulzeiten gehen meist bis 15 Uhr nachmittags, viele Schulen haben sogar samstags Unterricht.

Noch dazu kommen die vielen Nachhilfestunden, die fast alle indischen Schüler nach dem Schulunterricht nehmen, um zu verstehen, was ihnen in der Schule aufgrund der schlechten Lehrmethoden nicht beigebracht werden kann. Stellt euch vor, euer Schulalltag oder der eurer Kinder sähe so aus. Können wir nicht sehr glücklich sein, mit dem was wir haben? Wir könnten, wenn wir nicht ständig nach etwas Besserem streben wollen würden. Natürlich hat Deutschland einen viel weiter entwickelten Standard als Indien in diesem Blickwinkel und man versucht nur den unseren zu verbessern und optimieren. Es lohnt sich aber, sich auch einmal etwas „zurückzulehnen“ und zufrieden zu sein, mit dem was man hat, anstatt ständig zu kritisieren.

Text // Laura Schindler