Seit Ende 2018 gehen jetzt Weltweit Schüler*innen und Studierende regelmäßig freitags, statt in die Schule oder in die Uni auf die Straße.

Auslöserin der Fridays for Future Protestwelle war die 16 jährige Schwedin Greta Thunberg. Heute, nach einem monatelangen Schulstreik vor dem Schwedischen Parlament ist sie jetzt zu einer Ikone der Klimagerechtigkeitsbewegung geworden.

Im Dezember 2018 erreichte ihre Rede über die absolute Notwendigkeit für sofortiges und konsequentes Vorgehen gegen den Klimawandel hundert tausende Menschen, unter anderem die über 25.000  Schüler*innen und Studierenden die jetzt seit mehreren Monaten in ganz Deutschland jeden Freitag während der Schulzeit auf der Straße stehen um für eine dringend nötige Änderung in der aktuellen Klimapolitik zu demonstrieren. 

In München stieg die Anzahl der Demonstrant*innen von 750 auf bis zu 3500 und liegt im Moment zwischen 2000 und 1000. Während in ganz Bayern Schüler*innen und Student*innen demonstrieren, müssen sie sich anhören, wie Albert Rupprecht (CSU), der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag ihren Protest als „eine politische Radikalisierung von Jugendlichen“ bezeichnet.

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An diesem Punkt gebe ich jeden Versuch auf hier neutral zu bleiben, denn inwiefern sind die friedlichen FFF Demos bitte „radikal“? Rupprecht begründet diese Bezeichnung mit der Tatsache, dass die Proteste schließlich mit einem Verstoß gegen die allgemeine Schulpflicht einhergehen und bezeichnet diesen „Regel- und Gesetzesbruch“ als „vollkommen inakzeptabel“.

Mit dieser Meinung ist er definitiv nicht alleine, in der Berichterstattung über Fridays for Future existiert ein klar erkennbarer roter Faden, und zwar die Frage ob es denn legitim sei, für eine Demonstration gegen die aktuelle Klimapolitik die Schule zu schwänzen.

Unter der Schlagzeile „Demo statt Unterricht – Sollen die Schüler bestraft werden?“ schreibt Die Zeit am 29.01. lang und breit über die Reaktion verschiedener Schulleiter*innen, Politiker*innen und eines Jugendforschers, letztendlich sind die Meinungen gespalten.

Am 25.01 ermutigt die Süddeutsche Zeitung die Schulen – unter der Schlagzeile „Streiken bildet“ – doch „die Gelegenheit [zu] nutzen und das Interesse an der Klimapolitik auf[zu]greifen“, die Autorin spricht von dem politischen Potential, das in einer offenen Auseinandersetzung mit dem Thema liegt.

Und schließlich diskutierte der BR auf seiner Website nach der ersten Münchner FFF-Demo lang und breit die Frage, ob und wie die einzelnen Schulen die streikenden Schüler*innen bestrafen werden. In der Mitte des Artikels ist eine kleine Umfrage –  „Haben Sie Verständnis, wenn Schüler für die Klima-Proteste ihren Unterricht ausfallen lassen?“ – am 14.02. hatten 30% der Befragten ´Ja, auf jeden Fall´ 13,5% ´Eher ja´, 14% ´Eher nein` und 38% ´Nein, auf keinen Fall´ angekreuzt.

Derart gespaltene Meinungen sind an sich nichts Ungewöhnliches, bei einem so polarisierenden Thema wie der Schulpflicht ist es verständlich, dass viele sich Sorgen machen, ob der akute Mangel an Bildung nicht vielleicht gravierende negative Folgen für die kommende Generation haben könnte.

An diesem Punkt gibt es nur leider eine Frage, die mich irgendwie nicht loslässt…

Wie zur Hölle setzt man hier bitte die eigenen Prioritäten? Habt ihr vergessen, warum hier demonstriert wird?

Anscheinend ist der Grund, warum überhaupt demonstriert wird so weit in Vergessenheit geraten, dass man den verpassten Unterricht als problematischer befindet, das wahre Problem, über das man doch wirklich einmal reden müsste.

Das ist nicht die Debatte die diese Streiks nach sich ziehen sollten.

Der Klimawandel stellt eine direkte, akute, wissenschaftlich bis ins Kleinste dokumentierte und belegte Gefahr für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation dar.

Seit nunmehr 31 Jahren dokumentiert das IPCC (Intergouvernomental Panel on Climate Change), ein Konglomerat von über 500 Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen jedes UN-Mitgliedsstaates jetzt in regelmäßigen Berichten die gegenwärtige Situation und prognostiziert die zu erwartenden Folgen des Klimawandels.

Wenn man sich diese Berichte durchliest, kann man sich angesichts der aktuellen politischen Lage nur fragen, ob man im falschen Film gelandet ist.

2018 hatte sich das globale Klima bereits um ca. 1.0 °C erwärmt, eine Erwärmung um weitere 0.5 °C innerhalb der nächsten 30 Jahre lässt sich schon jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit voraussagen.

Konsequenzen wie verheerende  Dürren und Überschwemmungen, massives Artensterben, die Zerstörung von hunderttausenden Siedlungen, erhöhte Häufigkeit von zerstörerischen tropischen Stürmen, eine Häufung von Wassermangel, ein Jahrzehnte andauerndes Abschmelzen der Pole und des Grönlandeises und die daraus Folgende Flutung von küstennaher Landmasse inklusive mehrerer Weltmetropolen sind schon jetzt garantiert.

Mit solchen Aussichten ist es natürlich angenehmer das Problem zu ignorieren oder einfach aufzugeben, allerdings dürfen wir gerade das auf keinen Fall tun. Wir dürfen eins nicht vergessen, dass wir noch Zeit haben um die Situation in den Griff zu bekommen.

Die magische Zahl ist 1,5 °C, sollten wir es schaffen die globale Erwärmung auf diesen Wert zu beschränken, würden die erwarteten Folgen ebenfalls massiv abgeschwächt, potentielle Globale Katastrophen können immer noch abgewendet werden.

Also, wieso steht hier ein übervereinfachter Klimareport in einem Artikel über Fridays for Future?

Aus dem einfachen Grund, dass die Regierungen anscheinend immer noch nicht verstanden haben, wie ernst unsere Lage ist. Bis 2030 sollten die globalen Treibhausgasemissionen definitiv halbiert werden, alles andere könnte eine Erwärmung von über 2,0 °C und somit humane und umweltbezogene Katastrophen von nie gesehenem Ausmaße nach sich ziehen.

Und trotzdem sollen in Deutschland bis 2038 Kohlekraftwerke in Betrieb bleiben, trotzdem sind Fahrverbote für Autos in den meisten Städten utopisch, Langstreckenflüge sind so billig wie nie und es brauchte monatelange Proteste um die Kohleindustrie davon abzuhalten den Hambacher Forst gänzlich abzuholzen.

Es ist absurd, wie wenig in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, für eine bessere Klimapolitik getan wird.

Es ist absurd, dass Schüler*innen überhaupt auf die Straße gehen müssen.

Und es ist eine bodenlos ignorante Unterstellung, die Demonstrant*innen seien „politisch extrem“.

Worte können nicht ausdrücken wie absurd es sich anfühlt mit 17 zu merken, dass man demonstrieren gehen muss, weil die Regierungen die geballten Warnungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft seit nunmehr 30 Jahren fröhlich ignorieren und somit wissentlich auf unserer aller Zukunft scheißen.

Hier geht es nicht um Schule schwänzen, hier geht es nicht um einen Verstoß gegen die Schulpflicht oder um 2-6 verpasste Unterrichtstunden, hinter Fridays for Future steckt eine tief sitzende und völlig berechtigte Angst um unsere Zukunft, unsere blanke Existenz.

„Sind Schulstreiks denn in Ordnung?“, darf nicht die Frage sein, die man sich nach mehreren Monaten wöchentlicher Demonstrationen stellt, „Wie können wir so schnell wie möglich so viel wie möglich tun, um unsere Emissionen zu reduzieren?“ schon eher.

Genau deswegen werden die Streiks auch weitergehen, bis die Streikenden seitens der Regierung anerkannt, ihre Forderungen ernst genommen und unsere Zukunft mit dem Respekt behandelt wird, den sie verdammt nochmal verdient hat.

Text // Julius Hentze