Mein Blick wandert über das verstaubte Glas des Spiegels. Meine roten Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, das meine strahlenden Zähne preisgibt. Ich nehme die Ledertasche und schlüpfe in meine High Heels. Ein letztes Mal werfe ich einen schnellen Blick in den Spiegel. Ich sehe wirklich attraktiv aus. Der kurze Rock betont meine langen Beine und das weiße Oberteil passt perfekt dazu. Er wird mir heute verfallen. Ich schließe die Haustür hinter mir und höre sogleich eine Hupe. Meine Freunde warten bereits im Auto. Robert sitzt hinter dem Steuer und winkt mir. Meine besten Freundinnen sitzen auf der Rückbank. Ich umarme meine besten Freundinnen stürmisch und setze mich schließlich auf den Beifahrersitz. Robert bekommt einen sanften Kuss auf die Wange. Ein Abend wie jeder andere. Ich sehe ihn bereits vor mir. Er wird einen Smoking von Hugo Boss tragen und seine dunklen Haare werden ihm wild ins Gesicht fallen. Ich werde zu ihm gehen und dabei die Hüfte schwingen lassen. Sein Blick wird sich an mich heften. Ich werde ihn kokett anlächeln. Seine rauchige Stimme wird mich ummanteln, wenn er mich begrüßt. Ich seufzte. Die Mädchen kichern. „Aufgeregt?“ fragt die eine. „Zu recht“, antwortet die andere. „Ich verstehe nicht“, werfe ich grinsend ein. „Weshalb sollte ich nervös sein? Heute Nacht kann ich nur gewinnen!“ Sie kichern erneut. „Vollkommen richtig“, Robert gliedert sich in das Gespräch ein. „Hast auch du ein Date?“ frage ich. „Ich werde Dornröschen und Rapunzel begleiten.“ „Niemand will von einem Frosch begleitet werden, danke!“ brüllt die eine. „Nicht in tausend Jahren, aber danke!“ ergänzt die andere. Er lacht. Ich weiß. Es ist ein bitteres Lachen. Ich funkle die Zwillinge wütend an.

„Waaas…!“ kreischt die eine. „Sieh uns nicht so an!“ faucht die andere. Ich wende mich wieder Robert zu. Ein Lächeln ist auf seine Lippen gefroren. Warum habe ich ihn nur gebeten uns zu fahren? Das war ein Fehler nach allem was passiert ist. Wie konnte ich nur so egoistisch sein? Seit dem „Streit“ sind nur zwei Monate vergangen. Alles hat begonnen, als ich die Klasse wechselte. Zuvor ging ich mit meinen drei Freunden in eine Klasse, doch meine Eltern ließen mich aufgrund meiner miserablen Noten einen Intelligenztest machen. Dieser ergab, dass ich so schlechte Noten hatte, weil ich mich langweilte. Somit übersprang ich eine Klasse. Nun bin ich die beste Schülerin und gehe in die siebte Klasse. Als ich wechselte spaltete sich unser Quartett und es gab Unfrieden in meiner alten Klasse. Robert wurde von seinen Mitschülern und Mitschülerinnen geschlagen, ausgelacht und auf viele andere Arten misshandelt. Als ich noch mit ihm in eine Klasse ging musste ich ihn bereits oft verteidigen, denn Robert war…anders…. Er lebt gewissermaßen in seiner eigenen Welt. Einzig seine Malerei interessiert ihn. Ich bemerkte auch schon früher, dass zwischen ihm und meinen Freundinnen Spannung herrschte, doch ich machte mir darüber keine Gedanken. Sie kamen miteinander aus und das war für mich wichtig. Das änderte sich jedoch schnell, als ich nicht mehr bei ihnen war. Sie begannen mit kleinen Sticheleien und arbeiteten sich hoch bis zu rosaroter Tinte auf seinem Stuhl.

Und die Klasse stieg mit Freude ein. Ich erfuhr erst davon, als den Mädchen bereits langweilig wurde und sie von Robert abließen. Trotz meines Wissens über ihre Handlungen blieb ich mit ihnen befreundet. Vielleicht deshalb, weil ich niemanden hatte außer ihnen. Oder weil ich sie aus tiefster Seele liebte. Vielleicht aber auch, weil es mir egal war. Weil Robert mir egal ist. Wir fahren auf den Parkplatz vor der Disco und ergattern mit großem Glück einen Platz. Meine Freundinnen springen ausgelassen aus dem Wagen. Ich zögere und blicke Robert von der Seite an. Er wendet seinen Kopf mir zu und lächelt mich an. Dieses Mal kommt es von Herzen.

„Danke“, sage ich. „Du siehst wunderschön aus.“ Nun lächle ich ebenfalls. „Ich wollte fragen, ob….“ Jemand klopft gegen die Scheibe und schneidet ihm das Wort ab. Es sind meine Freundinnen. Aufgeregt deuten sie in eine Richtung und ich erkenne ihn. „Ihn“ für den ich mich heute gestylt habe. „Er“ wird mein heutiges Opfer sein. Ich gebe Robert ein Bussi auf die Wange und stürze aus dem Auto. Er steht neben ein paar Kollegen vor dem Eingang der Disco. Jetzt oder nie. Tatsächlich trägt er einen Smoking von Hugo Boss und seine Haare fallen ihm wild ins Gesicht. Ich gehe zu ihm und lasse dabei die Hüfte schwingen. Sein Blick heftet sich an mich. Ich lächle ihn kokett an. Seine rauchige Stimme ummantelt mich, als er mich begrüßt. „Schön dich zu sehen. Du siehst fabelhaft aus.“ Ich werfe meine Haare zurück und beuge mich vor sodass mein Mund direkt neben seinem Ohr ist. „Dieses Kompliment kann ich nur zurückgeben. Obwohl du für diesen Anlass ein bisschen zu elegant gekleidet bist.“ Er nimmt mich an den Händen. „Das bin ich doch immer.“ Unsere Köpfe entfernen sich wieder von einander, doch er beugt sich sogleich wieder näher zu mir. Mir stockt der Atem. Mein Herz rast. So lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Doch er verfehlt meine roten Lippen und flüstert mir stattdessen wieder ins Ohr: „Darf ich dich für einige Tänze entführen?“ Ich lächle wieder kokett und hauche ihm meine Antwort ins Ohr. Er legt seine Hand um meine Hüfte und führt mich in die Disco. Er bezahlt den Eintritt und führt mich in die Mitte der Tanzfläche.

In meinen Ohren dröhnt der Bass. Ich bewege mich im Takt. Werde umhüllt von verschwitzen Körpern und sehe doch nur den einen Mann vor mir. Wir bewegen uns in Takt. Unsere Bewegungen verschmelzen. Die Hitze ist erdrückend. Wir drücken uns aneinander. Ich schließe die Augen und lasse mich von seinen starken Bewegungen führen. Wir vergessen die anderen Menschen, die Zeit und uns selbst. Wir schweben durch den Raum. Begleitet einzig und allein von der Musik. Ich lebe meinen Traum. Der Rhythmus wird langsamer. Ich drehe mich zu ihm um, halte mich an seinen Schultern fest und beuge mich langsam vor. Meine Lippen berühren fast seine. Mir stockt der Atem. Mein Herz rast. Ich küsse ihn. Plötzlich zerrt mich jemand nach hinten. Ich schlage um mich und erkenne ein Mädchen. Sie besucht meine Schule, jedoch ist sie ein Jahr älter. Ich schreie sie an, doch sieignoriert mich und schreitet zu meiner Begleitung. Ohne ein Wort zu sagen kippt sie ihm einen Cocktail über den teuren Smoking. Ich beobachte diese Aktion mit gerunzelter Stirn. Nun kommt sie wieder zu mir und schreit mir ins Ohr: „Jetzt ist er frei. Viel Spaß!“ Mit diesen Worten verschwindet sie in der Masse und ich nähere mich ihm wieder. Er sieht mich an und will die Situation erklären, doch ich schneide ihm das Wort ab. „Spar es dir. Sie geht mit mir in die Schule. Ich weiß, dass sie einen Freund hatte, dass du dieser warst ist mir jedoch neu. Viel Spaß noch auf dieser Party!“

Mit diesen Worten bin auch ich verschwunden. Ich verlasse die Disco und suche auf dem Parkplatz nach Roberts Auto. Als ich es gefunden habe sitzt Robert auf der Motorhaube und betrachtet den Himmel. Ich setze mich zu ihm. Wir schweigen. „Wie ist es gelaufen?“ fragt er schließlich. „Ich sitze neben dir auf dem Parkplatz. Bedarf diese Frage einer Antwort?“ Er lacht und schüttelt den Kopf. „Möchtest du darüber reden?“ „Nein, ich würde lieber wissen, was du hier machst? Solltest du nicht drinnen tanzen?“ frage ich. „Ich habe auf dich gewartet.“ „Du hast gehofft, dass dieses Date schief geht?“ „Nein, ich habe gehofft, dass du für immer glücklich wirst und das ist mit ihm nicht denkbar.“ Ich sehe Robert an und bemerke, dass sein Blick bereits an mir haftet. Ich beuge mich nach vorne. Mir stockt der Atem. Mein Herz rast. Ich küsse ihn.

Text // Christina Vettorazzi