So war es in der Opernschule des Jewish Chamber Orchestra Munich

Über 120 Kinder und Jugendliche meldeten sich auf den Aufruf „Oper mit Dir!“, den das Jewish Chamber Orchestra Munich Anfang 2018 in München und Umgebung gestartet hat. Auch wenn die Mehrzahl der Teilnehmenden zu diesem Zeitpunkt noch nicht so genau wusste, was bei der JCOM-Opernschule auf sie zukommen wird, so einte sie doch alle ein gemeinsames Ziel: die Kinderoper Noahs Flut des britischen Komponisten Benjamin Britten aufzuführen. Mitmachen konnte jeder zwischen 7 und 18 Jahren – entweder als Sänger*in auf der Bühne, als Musiker*in im Orchestergraben oder als Team Backstage von hinter den Kulissen berichten. Es gab kein Casting oder Vorspiel, es waren keine Vorkenntnisse nötig, der Unterricht war kostenlos – ein Konzept, das dem Komponisten der Oper, Benjamin Britten, gut gefallen hätte

© Katrin Dengler, Robert Brambeck, TEAMBACKSTAGE

Und ein Konzept, das die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien als innovativ überzeugte und darum ins Förderprogramm „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“ aufgenommen wurde. Dementsprechend vielfältig und unterschiedlich war die riesige Gruppe junger Operninteressierter – oder solcher, die es noch werden sollten, denn etwa die Hälfte davon hat vorher noch nie auf der Bühne gestanden, gesungen oder ein Instrument gespielt. Seit Juni 2018 wurde regelmäßig unter professioneller Anleitung geübt und geprobt für das große Ereignis: die vier Aufführungen der neu erarbeiteten Inszenierung von Noahs Flut, die Anfang November 2019 in der Reithalle München (jetzt: Utopia) stattgefunden haben – jedes Mal ausverkauft, vor begeistertem Publikum!

Drei dieser Jugendlichen geben Einblick, wie es war, nicht nur dabei, sondern mittendrin gewesen zu sein bei der JCOM-Opernschule: Carolin Gastberger, die bereits zu Beginn des Projekts fortgeschritten Violine spielte und bei den Aufführungen selbst die verantwortungsvolle Rolle der Konzertmeisterin übertragen bekommen hat (also die Position in einem Orchester, die gleich nach dem Dirigenten kommt). Khanakorn Freilinger, der vorher noch nicht auf der Bühne gestanden oder vor Publikum gesungen hat, war in der Solistenrolle von Ham, dem jüngsten von Noahs drei Söhnen, zu erleben. Und Clara Egelhof, die als eingefleischter Opernfan zwar schon unzählige Aufführungen gesehen hat, aber nicht wusste, was im Hintergrund einer Operninszenierung alles passiert und sich darum dem Team Backstage angeschlossen hat.

Konzertmeisterin im Orchester

Carolin Gastberger, 17 Jahre, Karlsgymnasium Pasing

Auf der weißen Rückwand unserer großen Bühne lassen Scheinwerfer einen Regenbogen entstehen. Einerseits ist der Regenbogen natürlich das offensichtlichste Symbol des Wendepunkts im Bühnengeschehen, andererseits symbolisiert er mit seinen bunten Farben auch uns. Wir sind eine bunt gemischte Gruppe: Erwachsene, Jugendliche, Kinder. Anfänger, Fortgeschrittene, Profis. Und gemeinsam schaffen wir etwas, das in seiner Faszination dem Regenbogen nahekommt und ebenso einzigartig ist: Die Kinderoper Noahs Flut von Benjamin Britten.

Opern, in denen ein Kinderchor auf der Bühne singt, gibt es oft, aber dass Kinder und Jugendliche auf der Bühne singen und spielen, im Orchestergraben musizieren und hinter den Kulissen für die PR zuständig sind – das ist wirklich etwas Besonderes.

In den letzten anderthalb Jahren haben wir uns auf die vier Aufführungen Anfang November in der Reithalle München vorbereitet, während der Herbstferien haben wir beinahe jeden Tag geprobt.

© Katrin Dengler, Robert Brambeck, TEAMBACKSTAGE

Am Ende der intensiven Proben- und Aufführungswochen können im Orchester eigentlich alle den halben Text von Noah, seiner Frau und Gott mitsprechen, unsere Lieblingsstelle in den Solo-Stimmen, und das „Happy Birthday“ in mindestens zwei Tonarten spielen. Bei insgesamt über 120 Kindern konnten wir schließlich auch vor fast jeder Probe das Geburtstagslied üben

© Katrin Dengler, Robert Brambeck, TEAMBACKSTAGE

Und wir im Orchester hatten bestimmt den besten Platz – zwischen unseren Einsätzen konnten wir problemlos das Bühnengeschehen mitverfolgen. Mit jeder Probe verstanden wir ein bisschen mehr und näherten uns der Lösung des Rätsels, was eigentlich auf der Bühne passiert, während wir spielen.

Von Probe zu Probe konnte man außerdem beobachten, wie wir alle nicht nur in der Gegenwart einer echten Bühne mit echtem Orchestergraben und einer echten Zuschauertribüne souveräner, sondern auch zu einer echten Gemeinschaft wurden. Als dann plötzlich mitten in unserer Probenphase in Halle eine Synagoge attackiert worden ist, scheint unser Projekt noch etwas mehr zu sein als nur eine Opernschule.

Es ist völlig egal, wer von uns welcher Religion angehört oder vielleicht nicht, wir freuen uns einfach, wenn wir mit einer gemeinsamen Orchesterprobe das Jahr 5780 im jüdischen Kalender einläuten können.

Musik verbindet. Und spätestens wenn sich im Stück, kurz vor Schluss, der Chor vor dem Regenbogen an den Händen nimmt, kann das auch wirklich jeder sehen.

Sänger/Darsteller auf der Bühne

Khanakorn Freilinger, 13 Jahre, Marieluise-Fleißer-Realschule

Meine Klassenlehrerin teilte mir mit, dass das Jewish Chamber Orchestra Munich ein neues Projekt starten würde. Daraufhin meldete ich mich auf der Webseite der Opernschule als Sänger an. Bei meinem ersten Treffen war ich etwas unsicher, da ich niemanden kannte, aber das legte sich schnell und die Proben machten von Mal zu mal mehr Spaß.

Ich habe Theater spielen und singen gelernt. Mir hat das Proben zusammen mit den anderen sehr viel Spaß gemacht, im Laufe der Zeit wurden wir ein richtiges Team.

Ich habe auch neue Freundschaften schließen können. Mit den Profis zusammenzuarbeiten war ein besonderes Erlebnis. Die Chorleiterinnen Elisabeth Löffler und Ricarda Geary haben mit uns die Oper, also die Musik und den Text, einstudiert. Theaterpädagogin Barbara Frazier hat uns gezeigt, wie wir uns in unseren Rollen auf der Bühne bewegen müssen. Natascha Ursuliak, die Regisseurin, hat die szenischen Proben angeleitet. Durch sie haben wir auch eine neue Sichtweise auf die Geschichte bekommen. 

© Katrin Dengler, Robert Brambeck, TEAMBACKSTAGE

Spannend war der Moment, als das Orchester dazu gekommen ist und wir plötzlich die Einsätze von Dirigent Daniel Grossmann bekommen haben.

Nach anderthalb Jahren Gesangs- und szenischen Proben war es dann endlich soweit: Der erste Auftritt auf der Bühne! Ich habe mich so gefreut, dass wir endlich unser Erprobtes zeigen konnten. Die vielen Zuschauer, die Atmosphäre, klar war ich aufgeregt, aber trotzdem habe ich meinen Auftritt gut überstanden.

Sollte es ein neues Projekt geben, möchte ich auf jeden Fall wieder dabei sein!

 

© Katrin Dengler, Robert Brambeck, TEAMBACKSTAGE

 

Team Backstage

Clara Egelhof, 14 Jahre, Theresia Gerhardinger Gymnasium am Anger

Wie der Name schon sagt, ging es bei uns im TEAM BACKSTAGE vor allem um das, was hinter der Bühne geschieht, und das ist gar nicht so wenig. Während der Chor und das Orchester an der Optimierung der Aufführung gearbeitet haben, ist es uns zu verdanken, dass der Saal am Ende auch voll war.

Ich und meine fünf Kolleginnen und Kollegen haben unter der Leitung von Andrea Schönhofer und Katrin Dengler dafür gesorgt, dass die Welt da draußen von der Opernschule erfährt.

Alle zwei Wochen haben wir uns getroffen und fleißig geschrieben, fotografiert, recherchiert und sehr viel zusammen gelacht. 

Wir haben den Instagram-Account und die Website gepflegt, und die Arbeit an Noahs Flut so ein Jahr lang dokumentiert. Außerdem haben wir das Programmheft konzipiert und gestaltet. Einmal waren wir sogar „on Air“ – zu Gast bei Radio Feierwerk!

Jeder konnte seine eigenen Ideen und Begabungen in diese Arbeit einbringen. Einer hat Fotos gemacht, einer gezeichnet und wieder ein anderer Texte geschrieben.

An den Aufführungstagen war TEAM BACKSTAGE für den Einlass, die Werkeinführung (als mobile Hörstation) und den Programmheftverkauf zuständig. Und natürlich gab es wieder viel auf Instagram zu verewigen.

Ich selbst bin erst ab März 2019 dabei gewesen, also ab Beginn der szenischen Proben. Eine mit meinen Eltern befreundete Familie hat mich damals auf die Opernschule aufmerksam gemacht, da sie wussten, wie gerne ich in die Oper gehe. Also war es für mich wirklich ideal.

Mich interessierte vor allem das, was sich bei so einer Opernproduktion im Verborgenen abspielt, wie die Regiearbeit, oder wie man die Leute dazu bringt, Karten zu kaufen. Gerade in diesem Bereich, also im Marketing, habe ich im TEAM BACKSTAGE viel gelernt.

© Katrin Dengler, Robert Brambeck, TEAMBACKSTAGE

Ganz am Anfang ging es um die Gestaltung von Flyern und Plakaten. Ich fand es extrem schwer, eine Gestaltungsmöglichkeit zu finden, die sowohl Kinder, als auch Erwachsene und Jugendliche anspricht. Denn Noahs Flut ist ja eine Familienoper.

Als ich mich für die Opernschule angemeldet habe, dachte ich, dass wir mehr an der Inszenierung mitarbeiten und dokumentieren, und nicht, dass das TEAM BACKSTAGE so viel an den Beziehungen zum Publikum arbeiten würde.

Weil ich selbst so opernbegeistert bin, dachte ich irgendwie, das müssten alle anderen, die bei diesem Projekt mitmachen, auch sein. Tatsächlich aber ist es anderen aus dem TEAM BACKSTAGE schwer gefallen, die Oper in Proben und Aufführungen so oft wiederholt zu sehen. Ich hingegen hätte mir die Inszenierung noch viel öfter anschauen können.

Mein Highlight in der ganzen Zeit, die ich im TEAM BAKSTAGE verbracht habe, war die letzte Probenwoche. Es war einfach toll, zu sehen, wie eineinhalb Jahre intensive Probenarbeit zusammenkommt zu einem großen Ganzen. Ich hoffe, die Freundschaften, die sich im Lauf dieser Zeit entwickelt haben, bleiben bestehen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Opernschule mir die Möglichkeit eröffnet hat, selbst im Bereich Oper aktiv zu werden und meine Ideen in so ein fantastisches Projekt einzubringen.

Text // Carolin Gastberger, Khanakorn Freilinger und Clara Egelhof