Zwei Jugenddelegierte auf ihrem Weg zur UN-Generalversammlung

Das Ehrenamt:

Jedes Jahr haben zwei Jugendliche aus Deutschland zwischen 18 und 25 Jahren die Aufgabe, die in Deutschland lebende Jugend bei den Vereinten Nationen zu vertreten.

Dieses Jahr sind Nikolas Karanikolas aus Rheinstetten und Josephine Hebling aus Freiburg ausgewählt worden, um das Sprachrohr für die in Deutschland lebende Jugend zu sein. Dies beinhaltet im Oktober und Februar auch einen  je dreiwöchigen Aufenthalt in New York, bei dem die beiden als Teil der deutschen Delegation die eingesammelten Jugendforderungen einbringen.

Dafür sind die beiden Jugendlichen in einer sechsmonatigen Deutschlandtour in ländliche und urbane Gebiete gereist und haben im Rahmen einer „Deutschlandtour“ 36 Tourstationen absolviert und über 3000 Forderungen der Jugend eingesammelt. „Besonders wichtig war es uns zu zeigen, wie vielfältig und bunt die in Deutschland lebende Jugend ist. Deswegen wollten wir vor allem die Jugendlichen erreichen, die nicht viel Kontakt mit der Politik und den Vereinten Nationen zuvor hatten.“, so Nikolas

Dies beinhaltete, dass nicht nur die jungen Menschen in Jugendparteien oder Model United Nations besucht wurden, sondern auch Jugendsportverbände, SOS Kinderdörfer oder eine Jugendstrafanstalt. Besonders prägnant waren die Themen Klimawandel, Bildung, Gleichberechtigung und Jugendpartizipation in Deutschland, wenn man die Themen der Jugendforderungen analysiert. Josephine hat beobachtet: „Besonders auffällig dabei war, dass keiner der besuchten Jugendlichen es gewohnt waren nach seiner Meinung gefragt zu werden. Das versuchen wir zu ändern, da muss aber vor allem die Politik mehr tun.“

Mit diesen Anliegen im Gepäck sind die beiden Vetreter*Innen der nationalen Jugend Ende September nach New York zur 74. Generalversammlung geflogen.

© UN Photo/Eskinder Debebe; privat

Der Aufenthalt hat damit begonnen, eine Rede im 3. Ausschuss der Generalversammlung zu halten, um die Erfahrungen und Themen der Deutschlandtour zu präsentieren. Die gemeinsam geschriebene Rede setzte sich aus zwei Teilen zusammen: Nikolas hat das Thema der Menschlichkeit und Gleichberechtigung adressiert. Eine zentrale Botschaft war die Aussage, dass wir das Potential hätten die Welt zu verändern, uns aber stattdessen in Nationalismus und Egoismus verlieren würden. Darüber hinaus kritisierte er, dass die Forderungen der vorangegangenen Jugenddelegierten Deutschlands nicht umgesetzt wurden, sodass die Vereinten Nationen dadurch ihre Glaubwürdigkeit verlieren würden.

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Josephine forderte die Anwesenden im Raum dazu auf, nicht nur junge Menschen in Entscheidungsprozesse einzubinden, sondern auch seine eigene Perspektive durch das kritische Denkvermögen und Handeln von Jugendlichen zu erweitern. Sie hat die Dringlichkeit des Klimawandels, mit der einhergehenden Sorge, Angst und Wut der besuchten Jugendlichen in den Workshops betont. Dabei wurde auch die Rolle der Bildung angesprochen mit der einhergehenden Schlüsselfunktion zur nachhaltigen Entwicklung in der Zukunft.

Darüber hinaus hatte auch Josephine dieses Jahr die Möglichkeit, die gemeinsam verfasste Rede der weltweiten Jugenddelegierten vor dem UN-Generalsekretär Antonio Guterres vorzutragen.

Die Botschaft bestand darin, die Aufmerksamkeit auf die globale Ungleichverteilung der weltweiten Jugenddelegiertenprogramme zu lenken.

Weltweit sind nämlich nur 5% der Jugendlichen in Mitgliedsstaaten außerhalb Europas durch ein Jugenddelegiertenprogramm vertreten. Ein weiteres Thema war die Mobilisierung der Jugend weltweit beim Thema Klimawandel. Josephine sagte in ihrer Rede, dass der Generalsekretär ein Aktivist im Kampf gegen den Klimawandel ist, jedoch sei dies nicht genug. Wir würden noch mehr Anführer*Innen weltweit brauchen, welche den Aktivismus der Jugendlichen in ihren Entscheidungen umsetzen.

Außerdem versuchte Nikolas als Jugenddelegierter in einer gemeinsamen T-Shirt Aktion mit 3Freunden die Forderungen der Jugend wortwörtlich in die Vereinten Nationen zu tragen. Für jeden der 15 Arbeitstage bei den UN hat er sich je ein T-Shirt mit einer Forderung aus den Workshops machen lassen. So trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift „Stop Sexism“ bei der Rede vor der UN, besuchte mit einem T-Shirt auf dem „Same Rights for LGBTQI+“ stand eine Veranstaltung der Vereinigten Arabischen Emirate und wurde mit einem T-Shirt auf dem „Stop arm deliveries in crisis regions“ aus dem Sicherheitsrat geworfen. Eine weitere Aufgabe der Jugenddelegierten zur UN-Generalversammlung in New York ist es, die Jugendperspektive in den geschlossenen Verhandlungen der Vereinten Nationen (sogenannten „Informals“) einzubringen.

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Alle zwei Jahre wird die Jugendresolution namens „Policies and Programmes Involving Youth“ neu verhandelt, sodass Nikolas und Josephine dieses Jahr die Chance hatten, die Forderungen der Jugend in den Verhandlungsprozess einzubringen.

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Basierend auf den genannten Themen der Jugend wurden Änderungen vorgeschlagen, die beispielsweise die LGBTQI-Community einschließen oder explizit die bedeutsame Jugendpartizipation implizieren. Nikolas und Josephine haben festgestellt, dass es aufgrund der starren UN-Strukturen schwierig, aber möglich sei, die vorgeschlagenen Änderungen in der finalen Resolution festzuhalten. Als Fazit sehen es beide als eine Aufgabe der UN, die Strukturen zu verändern, sodass es in Zukunft leichter ist, als Jugenddelegierte*r Veränderungen herbeizuführen. Passend zum Aufenthalt in New York bei der Generalversammlung hat Deutschland momentan einen Sitz im Sicherheitsrat. Aufgrund dessen hatten Nikolas und Josephine die Möglichkeit eine Sitzung im Sicherheitsrat mitzuerleben und den deutschen Botschafter zu beraten. Dazu haben sie das Statement der deutschen Delegation vorab erhalten und dieses durch Jugendforderungen um Themen wie Frieden und Konflikt, Bildung und Migration ergänzt. Besonders erfolgreich war die ausdrückliche Aussprache der Jugendforderungen des Botschafters während der Sitzung im Sicherheitsrat.

Dies führte dazu, dass die Aussagen „Stoppt den Waffenexport in Krisenregionen“ oder „Insbesondere die junge Generation ist durch die Anwesenheit von Konflikten als vulnerable Gruppe betroffen“ gesagt wurden.

Während der Generalversammlung gibt es oft nicht die Zeit und Gelegenheit, die Themen in der gewünschten Tiefe und Vielfalt zu besprechen. Für solche Fälle gibt es die Möglichkeit Side Events zu organisieren. Dazu werden dann Delegierte, Jugenddelegierte, NGOs und UN-Mitarbeiter eingeladen, sodass gemeinsam ein Thema diskutiert werden kann. Die deutschen Jugenddelegierten haben dieses Jahr drei Side Events, zusammen mit anderen Jugenddelegierten, organisiert. Das erste hat sich um ein Papier gedreht, welches gemeinsam von Jugenddelegierten geschrieben wurde. Die Idee dahinter war es die gemeinsamen Themen, woran Jugenddelegierte aus anderen Ländern ebenfalls arbeiten, festzuhalten. So wurde ein gemeinsames Papier zum Thema Klimawandel, Arbeit und Soziales, Bildung, Jugendpartizipation und Menschenrechte geschrieben und vorgestellt. Das zweite Side Event handelte sich um das Thema „Youth Participation and Climate Action“, welches zusammen mit den Jugenddelegierten aus Österreich und Belgien organisiert wurde. Dafür wurden Aktivist*innen von Fridays For Future, Extinction Rebellion und Team54Project eingeladen, über ihren Beitrag gegen den Klimawandel zu sprechen. Das letzte Side Event wurde zusammen mit der israelischen Jugenddelegierten zum Thema „LGBTQI Youth Activism – How to Change Policies“ veranstaltet.

Zurück in Deutschland angekommen sehen Nikolas und Josephine es als ihre Aufgabe, die gesammelten Erfahrungen in New York an die Zivilgesellschaft, insbesondere an Jugendliche, weiterzugeben. Dafür waren sie bereits im Fernsehen zu sehen und haben einige Interviews geführt. Bei der Frage was man für das weitere Leben mitnimmt, sind sich beide einig: Es ist das eindrucksvollste und prägendste Jahr ihres Lebens. Es wird deutlich, dass es sich lohnt den Mund aufzumachen und für diejenigen zu sprechen, welche ansonsten keine Stimme hätten. Durch einen starken Einsatz für die junge Generation in Deutschland ist es möglich, etwas zum Besseren zu verändern und positive Entwicklungen herbeizuführen. Sie sehen es als eine zentrale Aufgabe, Jugendliche dazu zu bewegen, selbst aktiv zu werden und sich gerade dort einzubringen, wo man ansonsten nicht gehört werden würde.

© UN Photo/Eskinder Debebe; privat

Bewerbung

Die Bewerbungsphase als Jugenddelegierte läuft zwischen Januar und Februar und setzt sich aus drei Schritten zusammen. Die erste Phase ist das Einreichen einer schriftlichen Bewerbung bestehend aus einem Motivationsschreiben, Lebenslauf und Essays. Darauf folgen ein Telefoninterview und ein Bewerberwochenende in Berlin. Für die kommenden Jugenddelegierten endet die Bewerbungsfrist dafür am 12. Januar 2020.

Träger und Partner

Das Programm wird von dem Deutschen Nationalkomitee für Internationale Jugendarbeit (DNK) getragen, sowie von der Deutschen Gesellschaft der Vereinten Nationen (DGVN). Die Partner sind das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), sowie das Auswärtige Amt (AA) und der Deutsche Bundestag.

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Zu den Personen

Josephine Hebling

19 Jahre alt

Studentin an der Universität Mannheim, Bachelor für Politikwissenschaft und Anglistik/Amerikanistik

Vorstandsmitglied an der Hochschulinitiative Model United Nations Mannheim, 3. Beiratsmitglied Partnerships and Networking

Mitglied des Projektbeirates und der Redaktion des zweiten Kinderrechtereports der National Coalition

Lebensmotto: „Wie herrlich ist es, dass niemand eine Minute warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu ändern!“ Anne Frank, 26.03.1944

Nikolas Karanikolas

21 Jahre jung und studiert  auf Lehramt die Fächer Politik, Wirtschaft und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main.

Er ist Gründer und Vorsitzender der NGO “Childhood for Children” und Mitglied im youpaN, dem Jugendgremium für Bildung für Nachhaltige Entwicklung.

Außerdem ist er Stadtrat in der großen Kreisstadt Rheinstetten, dort ist er auch Vorsitzender der SPD Rheinstetten und stellv. Vorsitzender der Jusos Rheinstetten.

Lebensmotto: . “Ignorance and prejudice are the handmaidens of propaganda. Our mission, therefore, is to confront ignorance with knowledge, bigotry with tolerance, and isolation with the outstretched hand of generosity. Racism can, will, and must be defeated.” ― Kofi Annan

 

© UN Photo/Eskinder Debebe; privat